Der folgende Text entstand Anfang 2007. Wer auf dieser Seite den Text 'Aktuelle Tendenzen' liest - und das dort geschilderte mit den nachfolgenden Zeilen vergleicht, der wird feststellen: Der Markt für Erdgas hat sich dramatisch gewandelt. Zu einem gewissen Teil hat daran wohl auch diese Datenbank ihren Anteil. Lange bevor es Wettbewerb auf dem Gasmarkt gab, sorgte 'Gaspreistabelle.de' im Jahr 2004 erstmals für Transparenz auf dem deutschen Markt für Erdgas. Die daraus in Fernsehen und Presse folgende, teilweise sehr intensive Berichterstattung sorgte 2004/2005 für intensive Diskussionen und ein deutlich gesteigertes Interesse an dem dann folgenden Wettbewerb. So ist der folgende Text eher eine historische Betrachtung - und zeigt um so deutlicher, wie sehr sich die Zeiten geändert haben:

Erdgas: zwischen Monopol und Ölpreisbindung
Historie einer erkenntnissreichen Recherche

von Michael Houben

Schon seit Jahrzehnten beobachten Verbraucherschützer voller Argwohn den Erdgaspreis. Immer schon lautet der Vorwurf, die Gaspreise würden mit denen des Heizöls angehoben, aber in Zeiten sinkender Ölpreise allenfalls bescheiden gesenkt. Als ich mich für Plusminus im Frühsommer 2004 wieder einmal mit dem Erdgaspreis beschäftigte, sah es zunächst so aus, als ginge es um diese altbekannte Geschichte. Doch es war schlimmer - und es begann eine intensive Beschäftigung mit den Erdgaspreisen, die nicht nur zur Entstehung der öffentlichen Gaspreisdatenbank führte, sondern nach über einem Jahr immer noch spannende Neuigkeiten über einen sehr seltsamen Markt ergibt. An Ihrem Ende steht die Erkenntnis, dass die Monopole noch immer real sind, uns die Gaskonzerne mit der Ölpreisbindung aber lange einen Bären aufgebunden haben: Doch der Reihe nach:

Es begann im Juni 2004 mit einer Tabelle des Bundesamtes für Außenwirtschaft (BAFA). Sie zeigte: Der Importpreis für Erdgas sank seit knapp drei Jahren. Eine andere Tabelle des statistischen Bundesamtes zeigte gleichzeitig: Einige Gasversorger hatten die Endkundenpreise zwar leicht gesenkt, doch im Mittel waren sie zumindest stabil geblieben - und trotz aktuell noch weiter fallender Importpreise hatte e.on Ruhrgas bereits wieder eine siebenprozentige Preissteigerung auf der Großhandelsebene angekündigt. E.on-ruhrgas begründete dies mit steigenden Ölpreisen - und dem Hinweis, dass demnächst auch die Importpreise entsprechend steigen würden. Merkwürdig nur: Der Importpreis war zwar tatsächlich seit Jahrzehnten dem Ölpreis mit etwas Verspätung gefolgt. Ab etwa dem Jahr 2000 hatte er sich aber kaum noch an den Ölpreisen orientiert. Nur der Verkaufspreis an den Endkunden schien - solange es bergauf geht - weiterhin fest daran gekoppelt. Es war eindeutig, dass mit dieser Art der Ölpreisbindung irgendwo zwischen Gasimport und Verkauf an den Endkunden die Gewinnspanne der Gasversorgungsunternehmen ansteigen musste.

Endkundenpreis + Bafa-Preis

Der Anfang July 2004 in Plusminus gesendete Beitrag erfuhr große öffentliche Resonanz. In der Folgewoche mussten gar der Kanzler und verschiedene Regierungsmitglieder zur Ölpreisbindung Stellung nehmen - und forderten auch mehrfach ihre Abschaffung. Gleichzeitig protestierte e.on bei der Redaktion gegen den gesendeten Beitrag, es gab ein Treffen zwischen Redaktion und Vertretern von e.on. ..... doch die hatten den Recherchen wenig entgegen zu setzen. E.on verwies etwas nebülös darauf, dass die Bafa-Statistiken nicht wirklich repräsentativ seien. Der Konzern wollte sich aber nicht festlegen warum dem so sein soll. Davon abgesehen schien meine Recherche doch sehr wasserdicht zu sein - und das BAFA erklärte natürlich prompt, seine Tabelle bilde ganz sicher einen realistischen Durchschnittswert der Importpreise ab. Warum also sollte sie für e.on Ruhrgas nicht repräsentativ sein ? Vielleicht, weil andere Gasimporteure deutlich bessere Konditionen hatten und e.on mehr zahlen müsste als den ermittelten Durchschnitt? Eine kurze Kopfrechnung führt den Gedanken ad absurdum. E.on ist der mit Abstand größte Importeur, rund 60 Prozent des gehandelten Erdgases entfällt auf den Großkonzern. Wenn diese große Menge deutlich teurer sein sollte, als der Durchschnitt, dann hätten die kleinen Gasimporteure Ihr Gas praktisch geschenkt bekommen müssen. Eine absurde Vorstellung. Es blieb rätselhaft, was die e.on -Vertreter damit wohl gemeint haben könnten. Um so plausibler schien es, dass e.on eben doch erhöhte Gewinne einfuhr.

Die Gaspreisrebellion:
Im Herbst 2004 hatte Aribert Peters, Vorsitzender des Bundes der Energieverbraucher, angeregt durch den Jenaer Rechtsanwalt Thomas Fricke eine Idee: Paragraph 315 des BGB besagt: in einem dauerhaften Vertragsverhältnis, in dem der Lieferant den Preis einseitig neu festsetzen kann, muss dieser Lieferant auf Verlangen nachweisen, dass der verlangte Preis der 'Billigkeit' entspricht, also keine überhöhten Gewinne enthält. Wenn der Kunde dies bezweifelt und deshalb die Zahlung des neuen Preises verweigert, muss der Lieferant zur Not den Kunden vor Gericht auf Zahlung des neuen Preises verklagen. Dabei muss dann aber - anders als bei jeder anderen Vorgehensweise - der Gasversorger dem Gericht durch Volage der Kalkulation den Beweis der Billigkeit antreten. Entsprechende Verfahren hatte es vereinzelt bereits gegeben. Ein Mitglied des 'Bundes der Energieverbraucher' begann in Bremen ein derartiges Verfahren, forderte öffentlich andere Bremer zum Mitmachen auf. Was würde wohl geschehen, wenn nicht nur einzelne Kunden, sondern gleich Hunderte oder Tausende bundesweit so vorgehen würden? Würde wirklich ein Gasversorger Kunden verklagen und seine Kalkulation offenlegen? Aribert Peters stellte sich auf den Bonner Marktplatz und sprach mit einem improvisierten Flugblatt Passanten darauf an. Ich begleitete die Aktion mit einem Kamerateam und berichtete im WDR-Magazin markt erstmals über diese Idee..... andere Medien folgten.... wenige Wochen später gab es in Paderborn die - nach Bremen - zweite massenhafte Gaspreis-Erhöhungs-Verweigerung. Der Aufruf zweier Leserbriefschreiber zu einem Treffen aller Rebellionswilligen führte in Paderborn dazu, dass ein angemieteter Saal aus allen Nähten platzte. Auch darüber konnte ich mehrfach berichten: Ein knappes Jahr später wird die Zahl aller Gaspreisrebellen bundesweit auf mindestens einhunderttausend geschätzt. Die Gasversorger versuchten, die Rebellen mit Androhung von Sperrung des Gasanschlusses und hohen Mahngebühren abzuschrecken. Doch Landeskartellbehörden und Gerichte erklärten das unisono für unzulässig. Die Rechtsauffassung der Gaspreisrebellen wurde bislang grundsätzlich bestätigt. In Hamburg, wo e.on Hanse ebenfalls mit hunderten von Preiserhöhungsverweigerungen konfrontiert war, wurde den Rebellen zwar ein Gerichtsverfahren angedroht, doch dann folgte..... nichts! Die Kunden blieben monatelang in Rechtsunsicherheit. E.on klagte nicht. Bis die Verbraucherzentrale Hamburg schließlich eine Sammelklage unterstützte: e.on Hanse soll nun gerichtlich gezwungen werden, das in $315 vorgesehene Verfahren zu beginnen. Das Gericht gab den Kunden recht. Der Gasversorger muß nun seine Kalkulation dem Gericht offen legen. Wie das ausgeht, wird man wohl frühestens im Jahr 2006 erfahren.

Die Gaspreistabelle entsteht.
Mit dem Fortgang der Ereignisse stieß ich jedoch auf ein großes Hinderniss. Niemand hatte wirklich Überbick über die in Deutschland verlangten Gaspreise. Der Brennstoffspiegel, eine Fachpublikation erhebt zwar für rund 150 deutsche Städte den aktuellen Gaspreis, bildet damit jedoch nur einen kleinen Teil der Anbieter ab. Ein Wirtschaftsforschungsinstitut erhebt die Preisdaten zwar flächendeckend im Auftrag der Energiewirtschaft und verkauft die Daten für recht beträchtliche Beträge an die Gasversorger - doch diese brancheninterne Erhebung erfolgt anonymisiert. Selbst Stadtwerksgeschäftsführer müssen sich die Preise der Nachbarunternehmen mühsam zusammensuchen.
Wie soll ein Verbraucher da je erfahren, ob sein Anbieter nun ein Preistreiber ist, oder doch versucht, die Preise so tief zu halten, wie irgend möglich? Auch für Journalisten wäre es sicherlich spannend, herauszufinden, wie sich die Preise regional und bundesweit nun wirklich entwickeln. Eine Gaspreisdatenbank musste her - und ich konnte die Wirtschaftsredaktion des WDR davon überzeugen, dass es sowohl von journalistischem Interesse wie auch als Service für den Zuschauer ein sehr spannendes Projekt wäre. Im November 2004 veröffentlichten wir erstmals einen NRW- weiten Gaspreisüberbick. Ein Monat später folgte die hier vorliegende bundesweite Datenbank, die von mir betrieben und bis auf weiteres mit jedem Update quartalsweise vom WDR finanziert wird.

Neue politische Rahmenbedingungen
Parallel dazu gingen in Berlin die Verhandlungen um das neue Energiewirtschaftsgesetz in die letzte Runde: Seit Ende der neunziger Jahre ist der freie Handel von Erdgas laut Gesetz eigentlich möglich: Allerdings: Die bundesweiten Netze sind fest in der Hand weniger Großhändler. Regionale Gasnetzte gehören Regionalverteilern (die oft Konzernschwestern oder Töchter der Großhändler sind). Lokale Gasnetzte gehören meist Stadtwerken, die allerdings ebenfalls oft längst nicht mehr städtisches Eigentum sondern an Gaskonzerne verkauft sind. Bislang wird das Erdgasas von Handelsstufe zu Handelsstufe weiterverkauft. Jeder Zwischenhändler schlägt natürlich eine Spanne drauf. Preise für die Durchleitung von fremden Gas durch 'eigene' Netze aber gab es nicht - obwohl das Gesetz dies schon seit 1998 vorsieht! Jahrelang gab es Streit um die Preise für diese Durchleitung, die zunächst in einer freiwilligen 'Verbändevereinbarung' von Gaswirtschaft und Industrie frei festgelegt werden sollten. Der Streit darum hatte bis zum Schluss wenig befriedigende Ergebnisse: Industriekunden am 'dicken Rohr' können inzwischen tatsächlich den Anbieter frei wechseln und mit zumindest erträglichen Durchleitungspreisen ihr Gas auch bei dritten Unternehmen kaufen. Für die Endverteilung liegen die Leitungspreise aber immer noch so hoch, dass der örtliche Anbieter weiterhin ein Monopol hat. Mit dem Energiewirtschaftsgesetz hat sich das geändert. Seit es im July 2005 in Kraft trat, soll die neue Bundesnetzagentur für 'faire Durchleitungspreise' sorgen. Am Ende soll ein Leitungsbesitzer fremden Gasunternehmen genau die selben Leitungspreise berechnen, die er für sich selbst kalkuliert. Trotzdem sieht die Gasbranche den 'freien Wettbewerb' erst in ferner Zukunft. Bis die knapp 700 deutschen Gashändler saubere Kalkulationen vorgelegt haben und Preise festgesetzt wurden, wird es noch dauern. Manch einer meint: ein bis zwei Jahre würde es sicher noch dauern. Andere schätzen: noch deutlich länger. Allerdings: Eine Aufsicht über die tatsächlich verlangten Preise ist nicht vorgesehen. Ob es nun einen Markt gibt oder nicht: Kein Gasanbieter muss sich seinen Endpreis von einer politischen Instanz genehmigen lassen.

... und ein kämpfendes Bundeskartellamt
Zeitgleich mit Inkrafttreten des Energiewirtschaftsgesetzes verschärfte das Bundeskartellamt im Sommer 2005 die Gangart. Schon lange war den Wettbewerbshütern ein Dorn im Auge, dass in den Lieferketten der Gasversorger sehr lange Vertragslaufzeiten festgelegt waren. Ein Stadtwerk, dass einmal einen Liefervertrag mit einem Großhändler abgeschlossen hatte, war für zwanzig und mehr Jahre gezwungen, all sein Gas von diesem Anbieter zu beziehen. Die dafür gültige Preisformel, meist tatsächich eine Bindung an den Heizölpreis, wurde dabei für die gesamte Laufzeit festgeschrieben. Während große Industriekunden und auch Kraftwerke ihre Gaslieferverträge alle paar Jahre, teilweise gar jährlich, neu aushandeln können, hängen viele Stadtwerke auf Gedeih und Verderb an einem Lieferanten fest. Das Bundeskartellamt will die Gasversorger nun zwingen, diese Verträge vorzeitig aufzulösen. Ein Stadtwerk soll immer auch einen Teil der Liefermenge frei einkaufen können - und sich für den großen Rest maximal vier Jahre binden. Die kleineren Gas-Importeure, die auf steigende Marktanteile hofften, erklärten sich einverstanden. Der dominierende Großhändler e.on aber stellte sich stur. Erst nachdem die Verhandlungen geplatzt waren und das Bundeskartellamt gerichtliche Schritte ankündigte, präsentierte e.on eine freiwillige Vereinbarung, die dem Bundeskartellamt tatsächlich entgegenkam - aber nicht ausreichte. Der Streit geht weiter, wahrscheinlich vor Gericht. Doch gleichzeitig war ich durch die Daten der Gaspsreistabelle auch wieder einen Schritt weiter gekommen:

Stadtwerke zwischen zwei Stühlen
Ich hatte im Sommer 2005 einen mittlerweile sehr kompletten Überblick über die Entwicklung aller deutschen Endkundenpreise seit Anfang 2004. Und auch wenn die im Detail von Anbieter zu Anbieter sehr unterschiedlich aussah, kristallisierte sich ein Grundmuster heraus: Manch ein Unternehmen macht viele kleine Preiserhöhungen, manch einer hält seinen Preis lange tief, um dann um so höher zu gehen....... aber mit Mittel hatten sich die Preise für Privatkunden pro Kilowattstunde im Jahresdurchschnitt und innerhalb eines Jahres um ziemlich einheitlich 0,8 Cent nach oben bewegt. Zeitgleich war der von der BAFA veröffentlichte Importpreis jedoch nur um rund 0,4 Cent gestiegen. Wieder entstand die Frage - wo war der offensichtlich entstandene zusätzliche Gewinn geblieben ?

Thypische Preisentwicklung

Die Stadtwerke klagten unisono: Sie mussten die in den Verträgen definierten Preiserhöhungen der Großhändler weitergeben und hätten auf keinen Fall zusätzlichen Gewinn aufgeschlagen. Manch einer legt dafür das Testat eines Wirtschaftsprüfers vor, manch einer will die Verbraucherzentrale NRW kontrollieren lassen, manch einer erzählte mir gar am Telefeon freimütig und präzise die Entwicklung seiner Einkaufspreise. Aber wenn es so wäre: Wäre es das Ende der Gaspreisrebellion ?
Nicht unbedingt. Denn die Stadtwerke geben oft nur die Preiserhöhung ihrer eigenen Muttergesellschaft, ihres Mehrheitseigentümers, an die Endkunden weiter. Da muss ein Gericht dann schon die ganze konzerninterne Kette betrachten, sonst könnte man all zu leicht die aufgeschlagenen Gewinne in der jeweils höheren Handelsstufe verstecken. Laut Energiewirtschaftsgesetz sind die Energieversorger ohnehin verpflichtet, die Versorgung so preisgünstig wie möglich sicher zu stellen (ein Gummiparagraph, aber immerhin). Auch das Bundeskartellamt beklagt ausdrücklich, dass die Stadtwerke bislang jegliche Preiserhöhung einfach weiterreichen konnten und dadurch in der Mehrzahl eben gar kein Interesse zeigten, günstigere Verträge auszuhandeln. Tatsächlich gibt es ja schon Stadtwerke, die wirklich kurzlaufende Verträge und günstigere Konditionen aushandeln konnten. So wirkt die 'Schutzbehauptung' der Stadtwerke und Regionalvervorger zunächst durchaus plausibel, schützt aber nicht vor der Pflicht eine möglichst preiswerte Versorgung sicher zu stellen. Und eine Kernfrage blieb weiter offen:

Überraschende Erkenntnisse
Wenn die Stadtwerke nur Preiserhöhungen der Vorlieferanten weitergeben, diese aber viel größer sind als der Anstieg des Importpreises, dann muss der erhöhte Gewinn ja zwangsläufig bei den Großhändlern landen. Oder nicht ? E.on verwies schriftlich wieder darauf, dass die BAFA Tabellen nicht repräsentativ seien, der Einkaufspreis sei in Wahrheit ähnlich stark gestiegen, wie der Verkaufspreis. Auf die Frage, warum und wodurch die BAFA-Zahlen denn nicht repräsentativ sein sollten, gab es aber wieder schlichtweg 'Kein Kommentar'.
In diesem Moment, Mitte September 2005, meldete das statistische Bundesamt, auch die Preise für Industriekunden seien deutlich gestiegen. Allerdings schien mir die gemeldete Zahl deutlich kleiner als die Steigerung für Privatkunden. Ich besorgte mir die Originaldaten des statistischen Bundesamtes - und die enthielten ein spannendes, bislang unveröffentichtes Detail: Den Index der Verbraucherpreise für unterschiedliche Kundengruppen. Und siehe da: Je größer ein Abnehmer, desto kleiner die Preissteigerung. Kraftwerke können sich gar seit Jahren über weitgehend stabile Gaspreise freuen. Ja wo bleibt denn da die Ölpreisbindung ? Es ist ja klar, daß Großabnehmer kleinere Preise zahlen - aber warum soll eigentlich ihr Gaspreis nicht mit dem Ölpreis gestiegen sein?

Preisentwicklung für unterschiedliche Kunden

Eine gewagte Hypothese:
Wenn man sich die Daten so anschaut und etwas mathematische Phantasie walten lässt, entsteht folgendes Bild: Rund die Hälfte des deutschen Gasverbrauches geht über ' dicke' Leitungen an Krafterke und Industrie, die andere Hälfte über Regionalversorger und Stadtwerke an Haushalte, Gewerbe und kleine Unternehmen. Wenn man weiter - rein hypothetisch - davon ausgeht, dass die Preise für die an Großabnehmer gehende Hälfte nicht an die von Heizöl gekoppelt sondern weitgehend stabil geblieben sind... Wenn man weiter davon ausgeht, dass diese Gasmengen schon beim Import unterschiedlich abgerechnet werden, dann ergäbe plötzlich alles einen Sinn:

Die Hälfte des Gases würde zum überschlägig gleichen Preis gehandelt wie schon vor Jahren. Die für Stadtwerke importierte Menge steigt im Preis dafür um so stärker an. Im Mittel ergäbe sich exakt die von der BAFA gemeldete Kurve. Eine gewagte Hypothese. Denn man stelle sich das einmal vor: Da sitzt ein Importeur mit einem Exporteur zusammen und verhandelt "Diese Gasmenge ist für eins unserer Kraftwerke, die muss bilig bleiben". "Na kein Problem" sagt dann der vermutlich russisch sprechende Exporteur: "der zweite Kontrakt der noch zu verhandeln ist, soll doch an Stadtwerke und Kleinkunden gehen - nehmen wir dort einfach eine teurere Preisformel, Hauptsache der Durchschnittspreis ist OK. Nastrowje ! "

Nein. Ganz so banal kann der Gasmarkt natürlich nicht funktionieren. Aber wie sonst ? Ein paar Stichworte hatte ich im Lauf der Zeit schon beisammen: Heizöl ist nicht gleich Heizöl, es gibt 'leichtes' und 'schweres' - und deren Preis entwickelt sich unterschiedlich. Außerdem.... hatte ich nicht Gerüchteweise gehört, manch Kraftwerk habe seinen Gaspreis überhaupt nich an Öl sondern an Kohle gekoppelt? Wieder begann ein neuer Recherche-Abschnitt. Wieder Telefonate mit unzähligen Menschen aus der Energiebranche, lange Fragenkataloge an e.on ruhrgas. Immer mehr Puzzleteile passten zusammen. Aber Ich hatte nicht damit gerechnet, von e.on eine andere Antwort zu erhalten, als das altbekannte 'kein Kommentar'.
Ich wurde, kurz vor der geplanten Sendung, gleich doppelt überrascht: Ich bekam eine Antwort: Und sie entsprach weitgehend meiner vorher aufgestellten 'gewagten Hypothese':


Auszug aus dem Schreiben von e.on ruhrgas, welches mir am 30.9. 05 zuging: In ihm hat e.on die von mir gestellten Fragen widerholt und anschließend beantwortet:

Frage 1: Wird Erdgas für unterschiedliche Kundengruppen tatsächlich zu unterschiedlichen Preiskonditionen importiert, obwohl es sich zunächst rein technisch um das selbe Gas handelt ?

Antwort: Wir kaufen das Erdgas für unsere Kunden bei verschiedenen Produzenten zum jeweils vereinbarten Preis. In den Preisformeln ist durch entsprechende Bindungen berücksichtigt, dass Erdgas in verschiedenen Absatzsegmenten mit unterschiedlichen Konkurrenzenergien im Wettbewerb steht, die Preisformeln stellen also eine Art Wettbewerbsbindung dar.

Frage 2: Liegt darin eine wesentliche Ursache für die unterschiedliche Entwicklung von BAFA- und Endkundenpreisen ? Frage 3: Was würden sie einem Verbraucherschützer antworten, der das als 'unangemessene Quersubvention zu Lasten der Haushalte' bezeichnet ?

Antwort zu Frage 2 und 3: Die unterschiedliche Preisentwicklung je nach Marktsegment ist kein Indiz für eine Quersubvention. Eine solche findet nicht statt. Zur Erklärung der Preisbildung Folgendes:

Im Verhältnis zwischen Importunternehmen und Produzenten findet eine Risikoteilung statt. Das Importunternehmen verpflichtet sich zur Abnahme bestimmter Mengen. Die Produzenten tragen das Preisrisiko. Dieses Preisrisiko ergibt sich daraus, dass Erdgas durch andere Energieträger ersetzt werden kann und stets wettbewerbsfähig zu diesen Konkurrenzenergien angeboten werden muss. Die Produzenten sind im Rahmen der mit den Importunternehmen abgeschlossenen Verträge bereit, das Erdgas zu einem Preis anzubieten, der in den einzelnen Absatzsegmenten wettbewerbsfähige Angebote ermöglicht - im Vergleich zur jeweiligen Konkurrrenzenergie. Andernfalls könnte das Erdgas diese Kunden nicht gewinnen bzw. halten, für die Produzenten bestünde die Gefahr, Absatz zu verlieren.
Die Konkurrenzenergien in den Absatzsegmenten sind verschieden, was sich in den Formeln zur Berechnung des jeweiligen Gaspreises niederschlägt und im Zeitablauf zu unterschiedlichen Preisentwicklungen führen kann:
Im Haushalts- und Gewerbebereich konkurriert Gas vorwiegend mit leichtem Heizöl. Das leichte Heizöl hat sich in der letzten Zeit bekanntlich sehr stark verteuert.

Die Industrie ist im Unterschied zu Haushalten und Gewerbekunden häufig in der Lage, statt Erdgas auch schweres Heizöl einzusetzen. Die Preissteigerungen für schweres Heizöl waren in den letzten Jahren nicht so stark wie beim leichten Heizöl.

Für die Stromerzeugung aus fossilen Energieträgern ist Steinkohle der maßgebende Wettbewerber für Erdgas. Auch der Preis für Steinkohle ist in den vergangenen Jahren bei weitem nicht so stark gestiegen wie der Preis für leichtes Heizöl.

Diese unterschiedliche Preisentwicklung spiegelt sich in den von Ihnen genannten relativen Gaspreisentwicklungen wider. Die Unterschiede sind also Ausdruck einer wettbewerbsgemäßen Preisbildung, keinesfalls Hinweis auf eine Quersubvention zu Lasten der Haushaltskunden.

Das Schreiben von e.on, beschreibt schlicht und einfach: Es gibt keine einheitliche Gaspreisformel. In jedem Marktsegment wird Erdgas genau zu dem Preis angeboten, wie die jeweils wichtigste Konkurrenzenergie. Bei Privathaushalten und Gewerbe wäre das eben normales, also 'leichtes' Heizöl. Bei Kraftwerken ist es Kohle und bei der Industrie das 'schwere Heizöl'. Das klingt zunächst logisch, - und doch steckt darin Sprengstoff für die deutsche Gaswirtschaft: Denn erstmals ist nun offiziell und öffentlich bestätigt, dass wesentliche Mengen des Erdgases preislich eben nicht an den Heizölpreis gekoppelt sind und dies anscheinend schon für den Gasimport gilt. Allerdings: Ein Teil der von e.on präsentierten Gründe zur Rechtfertigung dieses Sachverhaltes haben sich historisch längst überlebt.

Exkurs: Was ist schweres Heizöl?
Wie der Spiegel in der folgenden Woche schrieb: "Seit der Plusminus-Sendung ist der Gasmarkt noch komplizierter geworden". Jetzt gibt es neben der normalen Ölpreisbindung also eine Kohlepreisbindung und eine Schwerölbindung. Aber was ist das überhaupt ? Es ist ein deutlich ‘dreckigeres Öl’, das in der Raffinerie zu einem festen Prozentsatz zwangsläufig anfällt. Bis in die achtziger Jahre wurde es häufig für Industriefeuerungen und Kraftwerke benutzt, es ist jedoch sehr umweltschädlich und erfordert aufwändige Anlagen. In Europa sinkt seine Bedeutung rapide. Da es in der Raffinerie zwangsläufig anfällt, muss es sich inzwischen mühsam weltweit einen Markt suchen: Es wird insbesondere noch als Schiffsdiesel benutzt, wobei die Schiffe den enthaltenen Ölschlamm häufig illegal auf See entsorgen. Der Preis von Schweröl ist deshalb seit einem Jahrzehnt zumindest sehr viel langsamer gestiegen als der von normalem ‘leichten Heizöl’. Wirklich deutlich wurde der Unterschied in der Preisentwicklung seit der Jahrtausendwende. Just zu der Zeit als die BAFA-Importpreise begannen, sich vom (leichten) Heizölpreis abzukoppeln. Es ist absehbar, dass der steigende Bedarf an Diesel und Benzin dazu führt, dass tendenziell steigende Mengen von Schweröl anfallen. Zur Zeit versuchen die Raffinerien seinen Anteil prozentual immer kleiner werden zu lassen. Dadurch steigen jedoch der Gehalt an Verunreinigungen, was die Einsatzmöglichkeiten weiter reduziert und den Preis drückt. Wer seinen Gasliefervertrag langfristig daran gekoppelt hat, kann sich glücklich schätzen. Arm dran bleiben die, deren Gaspreis an den von leichtem Heizöl gebunden ist. Es ist in den Raffinerien weitgehend identisch mit Diesel, bei dem die Nachfrage stark steigt,

Aber auch wenn es ärgerlich ist: Ist es nicht logisch ?
Hat e.on nicht recht, dass man nur so verhindern kann, bei steigenden Gaspreisen seine Großkunden wieder an Schweröl und Kohle zu verlieren ? Eher nicht und das aus drei Gründen:
Zum einen ist es ja gerade das Risiko, bei steigenden Preisen Marktanteilen zu verlieren, das eine Marktwirtschaft überhaupt zur Marktwirtschaft macht. Man nennt das dann unternehmerisches Risiko und dient als Rechtfertigung dafür, dass klug wirtschaftende Unternehmen Gewinne machen. Warum soll jeder Gewerbetreibende dieses Risiko auch bei den Energiepreisen tragen, nur die Gaskonzerne selber sollen ausgenommen sein und die Gewinne ohne Risiko kassieren? Doch davon abgesehen:
In der Praxis ist es natürlich schwer, ein einmal gebautes Gaskraftwerk auf Kohle umzustellen, genaugenommen ist es unmöglich. Und ein Wechsel der Industrie zu schwerem Heizöl ? Der Einsatz von schwerem Heizöl in der Industrie ist aus Umweltschutzgründen an den meisten Standorten längst verboten. Da wäre es für die meisten Haushalte einfacher, ihre Heizung auf Kohle, Holz, oder Erdwärme umzustellen. Das ist ja genau einer der Gründe, warum der Preis von schwerem Heizöl kaum mit den allgemeinen Ölpreisen steigt. Genaugenommen werden gerade kleinere Gasturbinen zur Stromerzeugung schon heute im Grundlastbetrieb eingesetzt, so dass Ihr Erdgaspreis eigentlich an den von Uran oder Braunkohle gekoppelt sein müsste, den ansonsten für Grundlaststrom herangezogenen Brennstoffen.
Und auch ein drittes Argument für unterschiedlichen Preisformeln hält etwas genauerem Nachdenken nicht stand: Steigende Gaspreise für Industrie und Kraftwerke würden Arbeitsplätze gefährden. Ein Argument bei dem gewöhnlich jeder zustimmt und sorgenvoll mit dem Kopf nickt. Doch es ist viel zu kurz gedacht: Jeder Gewerbetreibende, selbst ein kleinerer Industriebetrieb, hängt wie die Privatverbraucher im Preissystem der Stadtwerke und damit in der Ölpreisbindung fest. Ein Bäcker, der kurzfristig 30 Prozent mehr für das Heizen seines Ofens aufbringen und den Verkaufspreis seiner Brötchen anheben muss, dessen Kunden wegen steigender Energiepreise ohnehin weniger Geld in der Tasche haben, verliert zwangsläufig Kunden an billigere Anbieter, an Großbäckereien, die als Großabnehmer ohne feste Ölpreisbindung einen Vorteil haben - aber sie schaffen pro verkauftem Brötchen deutlich weniger Arbeitsplätze als der kleine Bäcker nebenan. Und die Bäckerei ist nur ein Beispiel: Letztlich hängen im Gewerbe sicherlich mehr Arbeitsplätze von Energiepreisen ab, als in der Großindustrie.

Jenseits der Ölpreisbindung:
Wie soll es nun weiter gehen? Wie soll ein Gasmarkt ohne all diese Preisbindungen funktionieren? Sollen wir den Gaspreis an den von Erdnussbutter koppeln ? (eine beliebte Frage der Gasversorger) Sollen wir die tatsächlichen Förderkosten ermitteln, die tatsächlichen Transportkosten, einen angemessenen Gewinn dazurechnen und das dann vom Staat als Festpreis deklarieren lassen? (ein Vorschlag mancher Verbraucherschützer) Nein, darauf würde sich kein Erdgasexporteur einlassen ! Zumal der Weg für eine Pipeline von Sibiren nach China oder Indien auch nicht zu weit und die Nachfrage dort groß ist. Auch die Technik der Gastanker hat sich entwickelt. Schon seit Jahrzehnten wird Japan per Schiff mit verflüssigtem Erdgas (LNG) versorgt. Bisher wurde Erdgas oft an den Ölquellen als Nebenprodukt abgefackelt (stranded Gas), weil eine Pipeline sich nicht gelohnt hätte. Viele Förderländer haben das verboten, dort werden nun Tanker-Terminals für Erdgas errichtet - und auch die USA wollen einen wachsenden Teil ihres Energiebedarfes künftig mit LNG decken. Doch so sehr groß ist der mögliche Marktanteil von 'stranded Gas' nicht - und die Erdgastanker können auch in russischen Häfen laden oder an einem Nordseehafen. Da werden wir schon einen weltweit konkurrenzfähigen Preis für Erdgas zahlen müssen. Das dämpft ein wenig die Hoffnung auf langfristig billiges Gas. Aber wie soll man den Preis denn dann festlegen? Würde er sich nicht immer in irgend einer Weise an den Preisen der anderen Energieträger orientieren ? Ja das würde er. Trotzdem könnte es eine Methode geben, wie wirklich ein Markt über den Preis entscheiden kann - ein Markt auf dem jeder Käufer die selben Chancen hat - und trotzdem ein realistischer Preis entsteht:

Erste Vorraussetzung: Wettbewerb
Zunächst einmal müssten die Endverteiler ein Eigeninteresse entwickeln, ihr Produkt so günstig wie möglich anzubieten. Dieses Interesse kann heute schon entstehen, wenn ein Stadtwerk in rein städtischen Besitz von den Kommunalpolitikern die strikte Anweisung erhält, möglichst billig zu liefern. Aber wie kann man die vielen Tochterunternehmen der großen Gaskonzerne zwingen, mit der eigenen Muttergesellschaft hart zu verhandeln ? Das Zauberwort heisst Konkurrenz: Wenn die Bemühungen der neu gegründeten Netzagentur irgendwann Früchte tragen und die Durchleitung für Fremdanbieter nicht mehr teurer kalkuliert werden darf, als für den örtlichen Versorger selbst, wenn also auch ein kleiner Kunde zu einem billigeren Anbieter wechseln kann, dann ist jeder Gashändler gezwugen, seine Preise möglichst attraktiv zu gestalten. Nur leider gibt es auf dem Weg dorthin noch einen weiteren, bisher kaum bedachten Pferdefuß:

Wenn jeder Kunde seinen Lieferanten frei wählen kann, wenn auch jeder Endverteiler seinen Vorlieferanten frei wählen kann, dann könnte es natürlich riesige Umwälzungen im deutschen Erdgasmarkt geben. Nur: Der Import nach Deutschland, die Verteilung der dazu nötigen Interkontinental-Pipelines, das sind zwei Punkte die zwischen Exporteuren und Importeuren langfristig vertraglich geregelt sind. Dadurch ist noch lange Zeit festgeschrieben, dass rund 60 Prozent des nach Deutschland gelangenen Gases eben von e.on Ruhrgas importiert wird. Auch RWE und Wingas, die deutlich kleineren Konkurrenten, haben langfristige Lieferferträge. Eine Reihe noch kleinerer Handelsgesellschaften, die dezeit nur wenige Prozent zum Import beitragen, hätten kurzfristig kaum eine Möglichkeit, zusätzliche Gasmengen ins Land zu bringen. Wenn sich tatsächlich die Mehrzahl der Stadtwerke von Vorlieferant e.on abwenden wollte........ gäbe es zunächst niemanden, der statt dessen ähnlich große Mengen Gas verkaufen könnte ! Letztlich haben wir selbst auf der Importseite ein abgeschwächtes Anbietermonopol. Ein Zustand, der sich nur langfristig wirklich ändern ließe. Durch das absehbare Ende der Nordsee-Vorkommen wird sich jeder Importeur langfristig ohnehin an LNG halten - oder nach Russland wenden müssen.

Zweite Vorraussetzung: Wettbewerb :-)
Es ist klar, dass bei dieser Ausgangslange ein wirklich freier Markt schwer zu erreichen ist. Eine Idee, die mir zugetragen wurde, scheint aber zumindest hilfreich, ohne die Regeln der freien Marktwirtschaft zu verletzten: Eine Erdgasbörse - die aber ausdrücklich kein Spotmarkt sein sollte:
Auf einem Spotmarkt, wie etwa beim Strom, wird nur ein sehr kleiner Teil des Angebotes an der Börse gehandelt. Aber wenn dann ein Engpass, ein Mehrbedarf auftritt, muss jeder sich dort bedienen. Da übersteigt die Nachfrage dann sehr schnell das Angebot. Der Preis schnellt nach oben..... und der erhöhte Preis wird dann auch als Richtschnur für alle außerbörslich neu abgeschlossenen Verträge herangezogen. Auf diese Weise kann ein Preis nur nach oben gehen. Ähnlich wäre es beim Gas: Wenn auf einem Spotmarkt nur die Spitze des Verbrauchs gehandelt würde, könnte jeder kurzfristige Mehrbedarf die Preise überproportional nach oben treiben. Sinkende Preise könnten die Anbieter schlicht dadurch vermeiden, dass sie nur ein limitiertes Kontigent an die Börse bringen.
Ganz anders sähe es dagegen aus, wenn der gesamte Gasimport über eine Börse abgewickelt würde. Jeder Importeur müsste dort jede einzelne Teilmenge für einen definierten Zeitraum anbieten (sogenannte Slots). Inklusive einer über den Vertragszeitraum gültigen Preisgleitklausel, die beliebig gestaltet werden könnte. Auf dieser Erdgasbörse, auf der der gesamte deutsche Bedarf gehandelt würde, müsste jeder innderdeutsche Händler kaufen. Er könnte frei entscheiden, welchen Einstandspreis er für welchen Kontrakt maximal bietet. Den Zuschlag erhält der Meistbietende. Der Weitertransport von der Grenze zum Endkunden würde dann entsprechend der von der Netzagentur genehmigten Leitungspreise abgerechnet. Auf diese Weise wären viele Ziele unter einem Hut. Jeder Importeur kann frei und ohne jegliche Preisvorschriften seine Ware zum beliebigen Preis anbieten. Der Verkaufspreis orientiert sich allein an Angebot und Nachfrage - und dadurch natürlich zwangsläufig auch immer noch am Preis möglicher Konkurrenzenergieträger. Jeder Zwischenhändler, jedes Stadtwerk oder jeder Industriebetrieb hätte die gleiche Chance für seinen Bedarf einen günstigen Preis zu erhalten. Weil die gehandelte Menge insgesamt groß ist, bestünde nicht die Gefahr, dass kurzfristige kleine Nachfragespitzen den Preis überproportional in die Höhe treiben.
Industriekunden und Kraftwerke machen dabei möglicherweise das schlechtere Geschäft. Aber nicht zwangsläufig: Weil sie oft sehr konstante Gasmengen über einen langen Zeitraum brauchen und meist nicht so saisonabhängig sind, wie Heizgaskunden. Weil außerdem für Großkunden auch keine weitverzweigte Endverteilung nötig ist, würde Erdgas für sie auch künftig billiger sein, als für Kleinverbraucher deren aktueller Bedarf eher wetterabhängig ist. Eine Angleichung der Gaspreise für Industrie und Kleinkunden wäre also auch in diesem Modell nicht zu erwarten. Allerdings könnte ein Stadtwerk durch kluges Lastmanagement, eigene Stromerzeugungsanlagen oder auch Zwischenspeicher zumindest eine übers Jahr gesehen konstante Gasmenge zu billigen Industriekonditionen kaufen und müsste nur für die restlichen Spitzen auf teureres Spitzenlastgas zurückgreifen. Selbst ein Bäcker könnte seinem Versorger gegenüber billigere Preise aushandeln als ein Heizgaskunde, weil sein Verbrauch übers ganze Jahr weitgehend konstant bleibt und sein lieferant eine solch konstante Gasmenge ebenfalls billiger kaufen kann. Der Markt würde offener, fairer, von außen weitgehend transparent - und trotzdem rein marktwirtschaftlich organisiert. Auf jeden Fall sehr viel marktwirtschaftlicher als heutzutage. Das allerdings ist ohne eine erneute Änderung der Gesetzeslage nicht zu erreichen und dürfte gleichzeitig auf heftigen Widerstand der Gasbranche stoßen.

Mit diesem letzten Absatz habe ich natürlich meine 'Kompetenz' als Journalist überschritten. Ich habe hier nicht nur berichtet, sondern auch dargelegt, was sich in meinem Kopf nach all diesen Recherchen als möglicherweise gangbarste Weg zu einem fairen Gasmarkt herauskristallisiert hat. Mal sehen, wie es tatsächlich weitergeht: Ich werde die Entwicklung auch weiterhin kritisch begleiten
Besten Dank übrigens den Menschen aus der Gaswirtschaft, die mich in stundenlangen oft hitzigen Diskussionen immer wieder einen Schritt weiter brachten, den Gaspreisrebellen, deren öffentlicher Druck auf die Gaswirtschaft Veränderungen fördert - besten Dank auch der Wirtschaftsredaktion des WDR, die immer wieder mal einen neuen Film über die Erdgaspreise ins Programm genommen und damit weitere Recherchen ermöglicht hat. Und besten Dank den Stadtwerken, Gewerbebetrieben, Familien und sonstigen Erdgaskunden, die mir den Dreh von Filmbeiträgen ermöglicht haben.

Stand 13. 10. 2005
© Michael Houben

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